Warum Softwareprojekte häufig mehr kosten als erwartet

Die Entscheidung, eine individuelle Softwarelösung entwickeln zu lassen, fällt häufig mit klaren Erwartungen hinsichtlich Kosten und Umfang. Doch in der Realität zeigt sich immer wieder: Softwareprojekte kosten am Ende mehr, als ursprünglich kalkuliert – selbst bei professioneller Planung.

In diesem Beitrag beleuchten wir die häufigsten Ursachen für Budgetabweichungen und zeigen, wie sich diese Herausforderungen durch strukturiertes Vorgehen und transparente Kommunikation erfolgreich bewältigen lassen.

Die Entwicklungsarbeit

1. Der unsichtbare Anteil der Entwicklungsarbeit

Softwareentwicklung ist weit mehr als das sichtbare Frontend oder einzelne Features. Ein Großteil des Aufwands entfällt auf Aspekte, die von außen kaum wahrnehmbar sind, aber funktional und sicherheitsseitig unverzichtbar:

  • Systemintegration: Die neue Anwendung muss sich nahtlos in bestehende IT-Landschaften einfügen. Schnittstellen zu Drittsystemen, Authentifizierungsmechanismen oder Datenbanken verursachen häufig nicht planbare Komplexität.

Qualitätssicherung & Tests: Jede Änderung am Code muss getestet werden – nicht nur für die neue Funktion, sondern auch im Hinblick auf Wechselwirkungen mit bestehenden Komponenten (Regressionstests).

2. Scope Creep – schleichende Veränderung des Funktionsumfangs

Ein typisches Muster in Projekten: Während der Umsetzung entstehen neue Ideen oder Anforderungen. Was anfangs als einfache Anwendung geplant war, wird schrittweise erweitert – beispielsweise durch zusätzliche Login-Optionen, Dashboards oder automatisierte Benachrichtigungen.

Besonders kritisch: In großen Organisationen sind die Rollen von Budgetverantwortlichen und Fachbereichsentscheidern häufig getrennt. Änderungen am Umfang werden fachlich getroffen, ohne die finanziellen Auswirkungen unmittelbar transparent zu machen. Das Resultat: Kostenerhöhungen werden zu spät erkannt, der Projektverlauf wird intransparent.

3. Unsicherheiten und Annahmen zu Beginn des Projekts

Zu Projektbeginn basieren viele Anforderungen auf Annahmen – sowohl seitens der Auftraggeber als auch der Entwickler. Was auf Kundenseite als „einfache Funktion“ beschrieben wird, kann sich in der Umsetzung als deutlich komplexer herausstellen – oder umgekehrt.

Hinzu kommen externe Faktoren wie die Integration neuer Hardware (z. B. ein neues Chipset), Änderungen durch Plattformanbieter oder regulatorische Anpassungen, die im Verlauf zusätzlichen Entwicklungsbedarf erzeugen. Diese Dynamik ist typisch für innovative Projekte, aber sie muss eingeplant werden.

4. Der Trugschluss des Festpreises

Ein häufiger Wunsch: Ein verbindlicher Festpreis für das gesamte Projekt. Was nachvollziehbar klingt, ist bei komplexer Individualentwicklung in vielen Fällen nicht realistisch ohne Qualitätseinbußen oder übermäßige Spezifikationsarbeit.

Denn: Ein echter Festpreis würde eine vollständige technische Beschreibung der Lösung voraussetzen – inklusive aller Detailfälle, Plattformabhängigkeiten, Qualitätskriterien und zukünftigen Anforderungen. Dieser Aufwand steht selten im Verhältnis zum Nutzen.

In der Praxis ist ein agiler, iterativer Ansatz mit klaren Etappen, Planungszyklen und Priorisierung deutlich zielführender – und langfristig auch kosteneffizienter.

5. Die häufig unterschätzten Betriebskosten

Selbst nach erfolgreicher Fertigstellung des Produkts entstehen laufende Kosten, die zu Beginn oft nicht berücksichtigt werden:

  • Hosting & Infrastruktur: Cloud-Ressourcen, APIs, Datenbanken – alles verursacht wiederkehrende Betriebskosten.
  • Wartung & Pflege: Sicherheitsupdates, Anpassungen an neue Betriebssysteme (z. B. iOS/Android), Weiterentwicklungen.
  • Sicherheitsmanagement: Frameworks und Libraries müssen regelmäßig aktualisiert werden, um auf neue Bedrohungslagen zu reagieren.
  • Skalierung: Mit wachsender Nutzerzahl entstehen Anforderungen an Performance, Datenverarbeitung und Lastverteilung.

Wer langfristige Kosten nicht mitdenkt, riskiert Budgetengpässe in späteren Projektphasen.



Was Unternehmen tun können, um böse Überraschungen zu vermeiden

Die folgenden Maßnahmen haben sich in unserer Projektpraxis als wirksam erwiesen:

  • Mit einem MVP starten: Ein „Minimum Viable Product“ ermöglicht frühes Feedback, reduziert Annahmen und spart initial Kosten.
  • Kommunikation strukturieren: Klare Ziele, Prioritäten und Entscheidungswege helfen, Missverständnisse zu vermeiden.
  • Flexibilität einplanen: Technische Unvorhersehbarkeiten sind normal – sie sollten früh im Budget berücksichtigt werden.
  • Den richtigen Entwicklungspartner wählen: Gute Partner beraten nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich – transparent, vorausschauend und realistisch.

Individuelle Softwareentwicklung ist kein Produktkauf, sondern ein Prozess – mit technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Wechselwirkungen.